Interview mit Sebastian Meichsner

Sebastian Meichsner, verheiratet mit einer Theologiestudentin und Trageberaterin in spe, Vater von zwei Kindern (2,5 und 1 Jahr alt), Erzieher in einer Leipziger Kita, ist heute zu Gast bei unserem Interview.

Getragen von Liebe: Wie bist du zum Tragen gekommen?

Sebastian: Meine Frau hat mich dazu bewogen. Sie hat von meiner Schwester ihr erstes Tragetuch geschenkt bekommen – ein Amazonas. Das Tragen hat dann bei unserem ersten Kind angefangen. Meine Frau hat unsere Tochter aus praktischen Beweggründen ein bisschen getragen. Es war einfacher für sie, wenn sie mit ihr in die Uni gegangen ist. Dann wurde es immer mehr bis unsere Tochter dem Tragen ganz entwachsen war.

Ich habe unsere große Tochter nur einmal aus Spaß getragen, weil ich dem ganzen sehr kritisch gegenüber stand. Als dann unser zweites Kind kam wurde es mehr getragen. Es war praktisch um zwei Kinder von a nach b zu transportieren. Da bin ich dann auch auf den Geschmack gekommen.

Es war aber doch ein schwieriger Weg, weil wir damals noch nicht wussten, wie man die Kinder auf dem Rücken trägt und dann haben wir das mit unserer Großen Tochter sehr spontan im Park mit dem Didytai einer Freundin ausprobiert. Das fand ich aber sehr befremdlich, weil man doch plötzlich 12 kg auf dem Rücken hatte. Der zweite Versuch war dann – weil unser Tuch immer zu kurz war- mir die Känguruhtrage beizubringen, was in zwei an mir zerrenden Frauen und einem genervten Kind endete. Das hat mich eher abgeschreckt.

Und dann hatten wir ein gebrauchtes, langes Didymos Indio, das in aller Öffentlichkeit beim Binden der Wickelkreuztrage zerrissen ist. Ideale Startbedingungen. (lacht)

Danach habe ich es erstmal sein lassen. Meine Frau hat mir später in aller Ruhe mal den Rucksack gezeigt. Unser Kind war gut drauf und alles hat super geklappt.

GvL: Warum trägst du?

S: Mehr aus den praktischen Beweggründen. Es erleichtert das Leben ungemein, wenn man zwei Kinder hat die nur 17 Monate auseinander sind.

GvL: Ist es für dich nun mehr als nur das praktische? Zum Beispiel die Eltern-Kind-Bindung, die dadurch gestärkt wird?

S: Irgendwie schon. Ich finde es cool. (grinst) Man fällt auch damit auf und es sieht schick aus.

Besonders gut ist es aber auch beim Sprechenlernen, wenn man die Kinder näher an seinem Ohr hat und sie sehen können, was man selber sieht.

GvL: Was war dein erstes Tuch und deine erste Bindetechnik?

S: Amazonas. Wickelkreuztrage

GvL: Was hat sich seitdem verändert und warum?

S: Die Kinder sind größer geworden; jetzt nutze ich den Einfachen Rucksack mit tibetanischem Finish. Das ist ideal um noch einen Buggy nebenbei zu schieben. Als Tuch habe ich die Storchenwiege Inka. Ich finde es so schön robust und die Tuchoberfläche fühlt sich sehr glatt an. Das hat mir – als Ungeübter- sehr gut gefallen.

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GvL: Was ist dein Traumtuch /deine Traumtrage:

S: Inka! Schon gefunden.

GvL: Hast du Verschiedenes ausprobiert:

S: Nö! Ich bin ein Mann.

GvL: Wann und wie oft trägst du?

S: Hauptsächlich, wenn ich beide Kinder habe oder in der Elternzeit auch mit nur einem Kind, weil ich es einfacher fand, wenn ich irgendwohin musste, wo ich mit dem Kinderwagen nicht gut hinkomme. Aber zum einfachen Spazieren nehme ich dennoch gerne den Kinderwagen.

GvL: Wann oder wo würdest du gar nicht tragen?

S: Wenn es regnet. Da finde ich den Kinderwagen doch praktischer und wir haben immer viel Spaß mit der Regenplane. Vielleicht auch wenn es sehr warm ist.

GvL: Wann willst du mit Tragen aufhören?

S: Wenn mein Kind keine Lust mehr drauf hat. Ich kann mir bei ihm aber auch nicht vorstellen, dass es schweirig wird, ihn irgendwann nicht mehr zu tragen. Er läuft schon jetzt sehr gerne. Und mal sehen, vielleicht gibt es dann ja auch schon das nächste Kind. (Guckt lachend zu seiner Frau.)

GvL: Wie kommst du mit der Tuchleidenschaft deiner Frau klar?

S: Ich freue mich für sie, dass sie etwas gefunden hat, worin sie ihre Erfüllung findet. Ich frage mich aber auch, was sie macht, wenn wir irgendwann das letzte Kind haben.

(Domi: Dann sammle ich Paramente, also Stoffe die in Kirchen verwendet werden, z.B. die über den Altar gehängt werden.^^)

GvL: Wie reagieren Freunde und Familie?

S: Ich stoße da glücklicherweise gar nicht an. Viele sind ängstlich, wenn man sich das Kind auf den Rücken packt. Oder sind verwirrt. Meistens sind sie aber auch einfach nur neugierig. Besonders im Bereich Kindergarten.

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GvL: Du sprichts da ein gutes Thema an. Du arbeitest ja auch im Krippenbereich in der Kita als Erzieher. Wie siehst du aus dieser Persepektive das Tragen?

S: Wenn ich da an zwei Kinder denke, die ständig von ihren Eltern getragen wurden, stelle ich fest, dass sie am Anfang sensibler und zerbrechlicher wirkten. Man kann zu den Kindern aber Stück für Stück einen engeren Draht aufbauen. Ich glaube, dass einige dieser Kinder tiefere Bindungen zu dem Erzieher aufbauen als nicht-getragene.

GvL: Welche Kinder sind dir lieber: getragene oder ungetragene?

S: Ich glaube trotzdem Ungetragene. Es klingt vielleicht gemein. Aber manche Eltern, die ihre Kinder bewusst tragen, gehen in ihrer Erziehung auch in Richtung Überbehütung, die Kinder sind dann auch öfter krank oder nicht da. Ungetragene Kinder sind häufiger resistenter.

GvL: Was ist aus deiner Sicht das Wichtigste bei Erziehung?

S: Authentizität. Dass du dich nicht von anderen Meinungen leiten lässt, bei denen du dich selbst unwohl fühlst, zu denen du nicht stehen kannst. Das merken nämlich auch die Kinder.

GvL: Ihr habt jetzt auch eine Trage im Kindergarten. Welche ist das? Und wie geht ihr damit um?

S: Manduca. Aus praktischen Beweggründen. Wir haben keine Wägen für die Unter-Dreijährigen, sondern sind zu Fuß oder mit Bus und Bahn unterwegs und da ist es blöd, wenn die Kinder nicht laufen können. Damit diese dann nicht in der Kita zurückgelassen werden müssen, haben wir mit den Eltern zusammen diese Lösung gefunden.

GvL: Von wem ging die Initiative aus?

S: Von den Erziehern.

GvL: Wie haben die Eltern reagiert?

S: Die finden es schön, wenn wir auch die Kleinen mit auf Ausflüge nehmen können.

GvL: Könntest du dir vorstellen auch Kinder auf Arbeit zu tragen?

S: Natürlich.

GvL: Was würdest Tragepapas mit auf den Weg geben wollen?

Ich möchte besonder Mut machen männliche Vorurteile zu überwinden:Probiert es einfach mal aus. Es bringt einem sein Kind doch noch mal näher, als wenn man es nur im Kinderwagen schiebt. Die Kinder sprechen viel mehr mit einem. Man ist mit ihnen auf einer Höhe und die Kinder sehen nicht nur Beine.

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